Begegnung mit einem alten Bekannten : Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer

2006 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das damalige Erbschaftsteuergesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art.3 Abs. 1GG) verstößt. Zum Ablauf der Übergangsfrist legte der Gesetzgeber 2009 ein neues Erbschaftsteuerrecht vor.

Knapp 22 Monate später gibt es erneut ernstliche Zweifel daran, dass die Erbschaftsteuer verfassungsgemäß ist.

Was ist passiert ? Im Steuerrecht gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 105 Abs.2, 106 Abs. 2 Nr. 2 GG, § 3 Abs. 1 AO). Es besagt, dass die Steuern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erheben sind. Dieser Grundsatz gilt natürlich auch im Erbschaftsteuerrecht. In der Realität ist dieses Prinzip aber durchlöchert wie ein Schweizer Käse. So gibt es neben hohen Freibeträgen (§ 16 ErbStG) manigfaltige Verschonungen (§§ 5, 13 Nr. 4a, 4b, 13a, 13b ErbStG), so dass nur ein geringer Prozentsatz der nach §§ 3, 7 ErbStG grundsätzlich der Besteuerung unterstellten Lebenssachverhalte in Wahrheit einer Besteuerung zugeführt werden. In der Tat passt der im Gesetz niedergelegte Obersatz alles zu besteuern nicht zum gesetzgeberischen Ergebnis, wenn letztlich nur wenige Sachverhalte aus dem Privatvermögen besteuert werden.

Mit einem Verfahrensbeschluss (II R 9/11, Beschluss vom 05.10.2011), der sich wie eine Anleitung zur Steuervermeidungsgestaltung liest, hat das oberste Bundesgericht in Steuerangelegenheiten (Bundesfinanzhof – BFH) offengelegt, dass es die Verfassungswidrigkeit prüfen wird. Auslöser ist ein Verfahren, bei dem die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit eine Rolle spielt sein Privatvermögen durch eine Maßnahme zu Betriebsvermögen umzuwandeln und es auf diese Art und Weise der Besteuerung zu 85 % bzw. zu 100 % zu entziehen.

Damit stehen ab sofort die durch den noch lebenden Erblasser Gestaltungsmöglichkeiten im Schenkungsteuerrecht unter einem Vorbehalt, der dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, diese Maßnahmen einer anderen Regelung zu unterwerfen, auch wenn das Gesetz später geändert wird und nicht vom Gestalter berücksichtigt werden konnte. Im Zweifel ist bei solchen vertraglichen Maßnahmen zu erwägen, dass der Schenker sich einen Widerruf vorbehält oder die Maßnahme unter eine sog. Steuerklausel (z.B: Wenn aufgrund dieses Vertrages wider unser Erwarten eine Schenkungssteuer anfällt, kann der Schenker die Schenkung widerrufen) stellt. Auch zu regeln wäre, was zwischen Schenkung und Rückruf der Schenkung mit den Erträgen aus den geschenkten Vermögenswerten geschieht.

Die gute Nachricht ist aber: In diesem Verfahren wird auch geprüft, ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungsgemäß ist. Seit 2009 werden Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten wie Fremde Dritte im Bereich der Freibeträge behandelt. Während ein Elternteil zum Kind einen Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR hat, gilt derzeit für den umgekehrten Fall ein Freibetrag von nur 20.000,00 EUR im Schenkungsfall und von 100.200 EUR im Todesfall.